letzte Woche 2

Der Aufenthalt geht seinem Ende zu. Am Montag hatte ich keine Lust, so früh mit Sue aufzustehen. Ich blieb zuhause und schrieb an meinem Blog weiter. Das dauerte wieder eine Zeit und irgendwie hatte ich nicht die Energie, zu Fuß loszugehen, um noch einmal in die Stadt zu gehen, was ich ursprünglich vorhatte. Ich setzte mich vielmehr an Sue’s Klavier und spielte mein Wiener Klassik Programm durch. Das ging erstaunlich gut und ich bekam Lust, weiter an Chopinstücken zu üben, hatte aber keine Noten. Das Internet kam mir auch hier zu Hilfe, ich lud die Stücke auf mein großes IPad und stellte es auf das Klavier, das unter ganz merkwürdigen Umständen zu Sue gelangt ist. Es handelt sich um ein Kawai-Klavier, das einmal die Treppe herunter gefallen war und deshalb übergangsweise an Sue geliefert wurde, die zuvor ein anderes hatte, aber abgeben musste, genau weiß ich es nicht mehr. Jedenfalls verstarb der Händler, und sein Geschäftspartner, bei dem sich Sue gemeldet hatte, wusste nichts von dem Vorgang. Ich spielte ca. 3 Stunden und hatte plötzlich ganz heimatliche Gefühle, wie überhaupt nach dreieinhalb Wochen so etwas wie Gewöhnung eingetreten ist, die mich seltsamerweise in die Lage versetzt mir vorzustellen, dass ich hier auch länger bleiben könnte. Die ersten zwei Wochen war das komplett anders, und wenn die Möglichkeit bestanden hätte, früher zurückzureisen, hätte ich sie wohl wahrgenommen.  Ich war überhaupt noch nie so lange von zuhause weg, aber in Zukunft kann ich mir jetzt auch mehrmonatige Aufenthalte vorstellen, was für das Englischlernen natürlich von Vorteil wäre. Angelika meinte, ich solle mir in Südengland ein Cottage mieten, das sei nicht so weit und in der Nähe von diesen wunderbaren englischen Gärten auch das Richtige für mich. Melburne hat zwar den Nachteil, dass es so weit weg liegt und auch teurer ist, aber wenn in Marburg das Schmuddelwetter beginnt, wird es hier schön. Dieses Jahr hatten wir mit unserem Aufenthalt Pech, es war ungewöhnlich kalt. Aber im November scheint hier die schönste Zeit anzufangen, allerdings wird es im Januar auch ziemlich heiß. Wie die Zugvögel dem Sommer hinterher zu reisen, würde mir schon Spaß machen.

Für den Dienstag war dann noch einmal schönes Wetter angesagt und ich fuhr mit Angelika von der Schule in die Stadt, um eine ehemalige Schülerin zu treffen, die im Juni bei uns Abitur gemacht hat und seit 3 Monaten in Ballarat an einer Schule als Fremdsprachenassistentin arbeitet. Als wir an Flindersstreet ausstiegen, stießen wir auf zwei Schülerinnen unserer Gruppe, die den letzten Tag zum Shoppen benutzen wollten. Sie hatten sich in der Train auf deutsch unterhalten, obwohl sie Sweatshirts des Wesleycolleges trugen, was wohl Aufmerksamkeit erzeugt hatte. Ein hinter den beiden Sitzender sprach sie an und unterhielt sich noch weiter auf dem Bahnsteig mit Ihnen, als sie schon ausgestiegen waren. Es handelte sich um einen australischen Lehrer, der gerade aus Dresden zurückgekommen war, wo er wohl einen Jahresvertrag an einer Schule als Englischlehrer gehabt hatte. Er war auf dem Weg in eines von mehreren großen Freischwimmbädern mit auf 28 Grad geheiztem Wasser, von denen er schwärmte. Schade, dass ich das zu spät erfahren habe, da wäre ich auch gern hingegangen. Er schien ein ziemlich lockerer Typ zu sein, hatte ein Kind mit einer deutschen Frau, aber wohl auch in Melbourne eine Familie. Ich gab ihm meine Adresse und lud ihn ein, in Marburg vorbeizukommen, wenn er wieder in Deutschland sei. Am Southern Cross, einem riesigen Bahnhof griffen wir dann die ehemalige Schülerin auf und fuhren zusammen weiter nach Williamstown, einer südwestlichen Vorstadt gegenüber von St.Kilda auf der anderen Seite der Bay. Auch hier wurde neben uns deutsch gesprochen, es waren wieder zwei Work and Holiday Jungs die nach ihrem Abitur ein Jahr hier verbrachten. Es muss hier hunderte, wenn nicht gar Tausende geben, offenbar hat Australien eine große Attraktivität. In williamstown findet man auch noch diese alten, kleinen, ursprünglichen Häuser aus der Siedlerzeit. Zwei fand ich besonders schön und gepflegt mit ihren Vorgärten und den Rosen auf den Hochstämmchen, die sich fast in jedem Garten finden. Sie blühen jetzt gerade überall auf.img_3315img_3314

Wir machten dann einen Spaziergang am Strand, trennten uns aber bald, weil ich die Sonne genießen und am letzten Tag etwas Ruhe haben wollte. Die beiden gingen weiter, während ich lange auf einer Bank saß und aufs Meer hinausblickte.img_3316

Irgendwann rief Angelika an, sie hatte sich mit der Schülerin in einem Café mit Blick auf Melbourne niedergelassen, ich folgte ganz langsam auf einem Weg entlang der Küste.img_3317img_3318

Schließlich gelangte ich an den Hafen, der im 19.Jhdt. Umschlagplatz für große Schiffe war und wo die ankommenden Siedler an Land gingen, heute hat er seine Bedeutung verloren.img_3319

Dort stieß ich wieder auf Angelika, wir trennten uns dann aber endgültig, weil sie auf der Rückfahrt in eine andere Richtung musste.Vorbei an einer stehen gebliebenen alten Straßenzeile schlenderte ich schließlich auch zur Trainstation und tauchte in die Rushhour an Southern Cross, wo ich umsteigen musste, ein.img_3320

Dies ist der letzte Bericht, ein Resümee meines Aufenthalts in down under kann ich erst mit einem gewissen Abstand geben, wenn ich wieder in Deutschland bin. Hoffentlich verläuft der Rückflug ohne Probleme, besonders scharf bin ich jetzt nicht darauf.