dritte Woche 2

Am Montag begaben wir uns auf eine 3-Tagesfahrt entlang der sogenannten Great Ocean Road und in den Nationalpark Grampians. Es hatte in den letzten Tagen ziemlich heftig geregnet, sodass wir zunächst gar nicht auf die Strecke kamen sondern sie umfahren mussten, weil sie wegen Erdrutschen und umgefallener Bäume gesperrt war. Unser Fahrer schaffte es aber an einem Kontrollpunkt, die Wächter zu überreden, etwas zurück zu fahren. Wir kamen an einen Campingplatz mit wildlebenden Koalas, Papageien und Kakadus, die, als der Fahrer eine Handvoll mitgebrachter Körner in die Höhe hielt, auf uns zuflogen und aus der Hand pickten. Erinnerungen an meine Krähe Natascha Kampusch kamen in mir hoch und ich hätte zu gern einen solchen Papagei oder Kakadu bei mir zuhause.img_3118img_3119

Anschließend fuhren wir zu einem etwas landeinwärts gelegenen Aussichtspunkt, auf dem wir das in der Reise inbegriffene Lunchpaket verzehrten und einen ersten Eindruck vom Küstenverlauf hatten. img_3120Nächste Station war der typische Regenwald dieser Gegend. Er wurde zum Nationalpark erklärt und für Toristen zugänglich gemacht. Was ich in Melbourne im Botanischen Garten als kleinen Ausschnitt gesehen hatte, konnte man hier in seiner ganzen Pracht und Ausdehnung erleben: riesige Bäume, teilweise umgefallen und Unterlage für neue Vegetation, übermannshohe Farne und ein undurchdringliches Dickicht abseits der angelegten Pfade. Unser Fahrer kannte sich sehr gut mit den Lebensgewohnheiten der Ureinwohner aus und gab uns von Zeit zu Zeit etwas von den essbaren Pflanzen am Rande des Weges zu Probieren.img_3154img_3124img_3122Weiter ging es mit dem Bus durch Landschaften mit riesigen Viehweiden, die sich mit kleinen Waldstücken abwechselten. Wir wurden manchmal an eine deutsche Landschaft erinnert, nur ist hier alles viel ausgedehnter und nicht von Buchen und Eichen, sondern von den überall wachsenden Eukalyptusbäumen geprägt. Einzelne Höfe tauchten immer mal auf, sonst weite Einsamkeit. Im Frühling ist hier alles grün, im Sommer, wenn die Hitze auf über 40 Grad ansteigt, dürfte einiges zumindest von der Sonne verbrannt sein. Dann entstehen auch die großen Buschfeuer, die, wie unser Führer sagte, aus mangelnder Einsicht der Siedler in die natürlichen Verhältnisse im 19. Jahdt. einmal zum tief ins australische Bewusstsein eingesunkenen Katastrophe entwickelt haben, vor der alles, was Beine hat, flieht. Das Bild stammt aus der in der ersten Woche erwähnten Ausstellung.img_2295

Die Strände an der Great Ocean Road sind grandios und erinnerten mich an die Südküste Portugals, nur ist hier alles viel größer. Zwischendurch regnete es immer wieder, aber die Schüler blieben dank der pädagogisch geschickten Erklärungen unseres Fahrers zum richtigen Zeitpunkt bester Laune und gingen zum großen Teil an einem wirklichen Traumstrand, der sogar in einem Lied besungen wird, weil sich dort eine dramatische Rettungsaktion eines schiffbrüchigen Mädchens durch den Schiffsjungen im 19.Jhdt. abgespielt hat, ins Wasser.img_3125

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Abends waren wir in einem Bagpacker-Hotel untergebracht, nachdem wir uns unser Essen in einem nahegelegenen Ort selbst kaufen mussten, denn das war nicht mehr im Preis vorgesehen, wie wir zuerst unwillig feststellen konnten. Nachträglich muss ich sagen, dass ich dies auch für eine Zumutung für den Fahrer halte. Er fuhr den Bus, gab während der Fahrt Erläuterungen, wobei er immer eine passende Popmusik aussuchte, musste zweimal Frühstück vorbereiten und ein Barbecue am zweiten Abend, sich um das Gepäck kümmern, er war praktisch pausenlos im Einsatz und konnte nur ausspannen, wenn wir mal kurz eine Besichtigungs- oder Klopause einlegten, ein wirklicher Knochenjob. Dabei war er immer höflich, zuvorkommend und von einem pädagogischen Geschick in seinen Erläuterungen, die wohl 90 Prozent unserer Lehrer nicht erreichen. Unser Fahrer war schon Landschaftsgärner und in verschiedenen anderen Jobs, wir kamen ins Gespräch, denn die Fahrt schien ihm offenbar trotz der Anstrengungen Spaß zu machen, weil niemand von den Schülern rumnölte und sie sogar ins Wasser gingen, was er so wohl noch nicht erlebt hatte. Das Leben und die Behandlung der Eingeborenen lag ihm am Herzen und der Umgang mit der Natur, er hatte seine Kinder in die hier sogenannte Steiner-Schule geschickt, solange sie vom Staat unterstützt wurde, und konnte sich nach deren Schließeung keine andere mehr leisten. Viel verdient wird er mit dieser Dreitagesfahrt nicht haben, trotzdem war er immer gut aufgelegt und ließ sich die Anstrengung nicht anmerken bis auf eine Wanderung im Gebirge, wo er an einer Steigung ins Husten kam, er ist wohl Raucher, und kaum weiterkonnte. Ich nahm ihm dann seinen Rucksack ab, was er dankbar und wohl auch ein wenig verwundert, dass ich als soviel älterer Mann nicht aus der Puste war, annahm. Wir leben in Deutschland in einem Paradies. Hier geht es ganz schnell, dass man gefeuert wird und praktisch von einem Tag auf den anderen ohne Einkommen, nur mit einer kleinen Abfindung dasteht. Deshalb haben sich wohl viele Menschen die undurchdringliche Maske einer stromlinienförmigen Höflichkeit zugelegt. Von mehreren Kündigungsfällen hat Angelika während unseres Aufenthaltes gehört, und mit welcher Kaltschnäuzigkeit und verlogenen Diktion jemand, der jahrzehntelang in einem Beruf in verschiedenen Funktionen gearbeitet hat, abserviert wird, habe ich selbst erlebt, aber dazu mehr im privaten Gespräch.